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Celine Krstulovic

Head of New Mobility bei Arcadis

Start frei für klimaneutrale Automobile: Acht Schlüsselfaktoren für die Planung und Realisierung der Ladeinfrastruktur

Die steigenden Öl- und Gaspreise motivieren öffentliche Entscheidungsträger*innen, bei ihren Transformationsprogrammen für klimaneutrale E-Mobilität einen Gang hochzuschalten. Aber was genau macht den Erfolg eines solchen Programmes aus? Viele Faktoren beeinflussen die Umsetzung, aber wenige haben so große Auswirkungen wie die intelligente Konzeption und Planung der Ladenetze.

 

Mit voller Energie in die Transformation

Im letzten Jahr verglichen wir in unserem „Global EV Catalyst Index” die politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen in verschiedenen Ländern und Regionen weltweit. Wir konnten so die internationalen Pioniere und Wegbereiter des neuen Marktes identifizieren.

Eines der drei wichtigsten Bewertungskriterien war die Leistungsfähigkeit der Ladeinfrastruktur – ein Thema, dass seit einiger Zeit die einschlägige Medienberichterstattung dominiert. Der einhellige Tenor: „Wir brauchen mehr E-Tankstellen!“

Mit dem steigenden Transformationsdruck werden wir als Planer*innen und Berater*innen immer wieder mit der Frage konfrontiert, welche Strategien zu optimalen Lösungen führen. Eine standardisierte Antwort auf diese Frage existiert zwar nicht – trotzdem lassen sich Grundelemente identifizieren, die die Wahrscheinlichkeit für eine erfolgreiche Transformation signifikant erhöhen.

 

Acht Schlüsselfaktoren für Planung und Bau von E-Ladeinfrastruktur

Aus unserer Praxiserfahrung in Projekten für Fuhrparkmanager*innen, Unternehmen und Organisationen leiten wir acht Schlüsselfaktoren ab, die wir als notwendige Planungsbedingungen für den effizienten Neuaufbau einer zukunftsfähigen Ladeinfrastruktur identifizieren:

1. Integration in die Dekarbonisierungsstrategie der Organisation

Viele öffentliche Institutionen und private Unternehmen haben bereits ambitionierte und konkrete Ziele und Zeitpläne für ihre Klimaneutralität. Politische Entscheidungsträger*innen agieren diesbezüglich mit klaren Erwartungen der Wähler*innen. Die Dekarbonisierungsstrategie der Organisation setzt den Rahmen für die Konzeption der Ladeinfrastruktur.

2. Auswirkungen auf Prozesse und Betriebsabläufe

Die betrieblichen Auswirkungen sollten frühzeitig berücksichtigt werden. Die Einsatzplanung von E-Fahrzeugen erfordert in Bezug auf Reichweiten und Ladevorgänge einen höheren Management-, Organisations- und Optimierungsaufwand im Betrieb. Die künftigen Nutzer*innen sollten diesbezüglich frühzeitig in alle Prozesse und zu erwartende Veränderungen einbezogen werden. Ihre Erwartungshaltungen, Verhaltensweisen und Motivationen sind entscheidend für einen Erfolg der Transformation.

3. Bezahlbare und erreichbare öffentliche Ladestationen

Gerade bei Flottenfahrzeugen, die regelmäßig auf längeren Strecken unterwegs sind, ist ein gut verfügbares Netz von Ladestationen zwingend notwendig – vom Startpunkt bis zum Ziel der Reise. Aus der regional unterschiedlich schnellen Entwicklung der öffentlichen und privaten Ladeinfrastruktur ergibt sich der Anspruch, auch Nutzer*innen ohne private Lademöglichkeit ausreichend Stationen zur Verfügung zu stellen.

4. Standortbezogene Machbarkeitsuntersuchungen

Nicht selten erfordern neue Ladestationen eine Verstärkung der lokalen Energieversorgungsnetze – einschließlich des flankierenden Genehmigungsmanagements. Standortbezogene Machbarkeitsstudien helfen, Reibungsverluste zu verringern und zu vermeiden.

5. Stakeholder Management

Alle Beteiligten sollten so frühzeitig wie möglich und proaktiv in den Informations-, Planungs- und Realisierungsprozess involviert werden. Dazu gehören auch die zukünftigen Nutzer*innen der E-Fahrzeuge und die Budget-Verantwortlichen.

6. Finanzierungs- und Betriebsmodelle

Im Sinne einer CAPEX-Optimierung sollten alle relevanten Geschäfts-, Finanzierungs- und Betriebsmodelle systematisch verglichen und priorisiert werden.

7. Vertragsmodelle für den Bau der Ladestationen

Vertragsmodelle wie EPC und EPCM sind in Bezug auf den avisierten Realisierungszeitraum, die Budgets, die Dimensionen des Projektes und die verfügbaren personellen und materiellen Eigenressourcen und Expertisen zu prüfen und zu vergleichen.

8. Nachhaltiges Energiemanagement

Optionen wie standorteigene Energiespeicher und lokale Erzeugung von Wind und/oder Solarstrom sind in Bezug auf Maximierung von Resilienz und Minimierung von Betriebskosten zu prüfen.

 

Was alle genannten Faktoren gemeinsam haben, ist ihr fundamentaler Einfluss auf die Betriebsabläufe und Prozesse von Organisationen. Wir kennen die großen Unbekannten in der Gleichung aus eigener, praktischer Projekterfahrung: Sind dann, wenn die Transformation in die „heisse Phase“ kommt, überhaupt genug E-Fahrzeuge mit den erforderlichen Leistungsdaten und zu bezahlbaren Preisen am Markt verfügbar?

Aus dieser Perspektive wird neben der Ladeinfrastruktur die zweite tragende Säule der Transformation sichtbar:  Die von den politischen Entscheidungsträger*innen gesetzten Rahmenbedingungen. Je konsequenter Regierungen Richtung E-Mobility steuern, umso berechenbarer wird das Umstiegsrisiko für Unternehmen und öffentliche Institutionen.

 

Politik am Zug

Einige europäische Regierungen haben den Verkauf von Fahrzeugen, die mit fossilen Brennstoffen betrieben werden, auf den Zeitraum bis 2040 gesetzlich begrenzt. Ein klares Signal in Richtung einer klimaneutralen Mobilität.

Beispiel Deutschland: Erklärtes Ziel der Bundesregierung ist, bis 2030 mindestens 15 Millionen vollelektrische PKW auf die Straßen zu bringen, die an einer Million öffentlichen und frei zugänglichen Ladepunkten Strom tanken können. Mit dem „Masterplan Ladeinfrastruktur II“ haben die Entscheidungsträger*innen konkrete Anreize gesetzt, um für den Aufbau dieser Infrastruktur private Investitionen zu stimulieren und die Geschäftsmodelle für ihren Betrieb wirtschaftlich attraktiv zu gestalten. Ein ambitionierter Auftritt im internationalen Vergleich, der sich auch in unserem „Global Charging Infrastructure Market Report“ niedergeschlagen hat. Deutschland rangiert hier sowohl im europäischen als auch im globalen Vergleich auf Rang 2.

Auch unser Nachbar Frankreich richtet sich konsequent auf die Elektrifizierung des Autoverkehrs aus. Mit steuerlichen Erleichterungen für einschlägige Forschungsaktivitäten und Subventionen für die Transformation der kompletten Lieferketten setzt die Regierung deutliche Anreize für die traditionsreichen französischen Automobilunternehmen und ihre Zulieferer. Ein Wandel, der nur mit einem synchronen Aufbau eines leistungsfähigen, landesweiten Ladenetzes in diesem europäischen Flächenstaat gelingen wird.

Die aktuelle US-Administration hat einen Aktionsplan für den Aufbau einer landesweiten und flächendeckenden Ladeinfrastruktur erarbeitet. Der Plan basiert auf einer gemeinsamen Initiative der Ministerien für Verkehr und Energieversorgung und bietet den in Planung und Realisierung involvierten Akteuren einen „Single Point of Contact“ mit entsprechenden Standards und Ressourcen.

Ähnliche Entwicklungen gibt es in Australien: Dort hat die Regierung eine Strategie für den Umstieg auf E-Mobilität entwickelt, die eine Transformation mit maximalem Mehrwert ermöglichen soll. Die Entscheidungsträger*innen schaffen so die Grundlage für das weltweit längste Ladenetzwerk mit 45 Stationen quer durch den Kontinent. Der Zeitplan ist ambitioniert: Die Bauphase begann Mitte letzte Jahres, die Inbetriebnahme ist für Januar 2024 avisiert.

Auch die britischen Mandatsträger*innen setzen voll auf den Wandel – mit dem Anspruch, eine resiliente, faire, nutzerorientierte und flächendeckende Ladeinfrastruktur bereitzustellen, von der alle Menschen im Land gleichermaßen profitieren. Auch und gerade diejenigen, die über keine Lademöglichkeit auf ihren Privatgrundstücken verfügen.

 

Von den Pionieren lernen

Wir sollten uns alle von der Begeisterung der „Early Adopter“ anstecken lassen und von ihren Erfahrungen lernen. Und wir sollten das Tempo unserer Planungs- und Realisierungsprozesse an den rapiden technischen Fortschritt anpassen. Wir haben in unserer Projektarbeit selbst erlebt, wie beispielsweise neue, leistungsfähigere Generationen von Ladestationen die durch langwierige Genehmigungsprozesse und Reibungsverluste verzögerten Planungen obsolet machten.

Die Realisierung der optimalen Ladeinfrastruktur für E-Mobilität ist also eine komplexe, aber auch sehr faszinierende Herausforderung. Ich freue mich darauf, mit Ihnen darüber zu diskutieren, wie diese strategische Weichenstellung für Ihre Organisation bestmöglich umzusetzen ist. Kontaktieren Sie mich gern!

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