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Viktoria Ziemann

Head of Business Development Sustainable Operations

Arcadis-Expertin Viktoria Ziemann zur aktuellen Medienberichterstattung über ESG-Richtlinien

Frage: „Viktoria, zum leichten Einstieg in unser Gespräch ein Zitat aus dem SPIEGEL vom 25. Juni 2024: „Auf Deutschlands Unternehmen kommt ein bürokratischer Albtraum zu. Eigentlich hat die Ampelregierung den Abbau von Bürokratie versprochen, doch nun bringt sie die größte Formularmaschine der vergangenen zwei Jahrzehnte auf den Weg. Kosten: mehrere Milliarden Euro. Nutzen: ungewiss.“ Gilt hier die journalistische Grundregel „Bad news is good news“ oder ist wirklich was dran an diesem Albtraum-Szenario?"

Antwort: „Wenn das der leichte Einstieg ist, kann ich mich ja auf was gefasst machen in diesem Interview! Spaß beiseite – das SPIEGEL-Zitat spricht tatsächliche Herausforderungen an und spitzt sie bewusst und etwas polemisch zu. Das ist ja auch durchaus legitim im Medienbetrieb. Kann Nachhaltigkeitsreporting ein bürokratischer Albtraum werden für ein Unternehmen? Nur dann, wenn man es völlig ohne Plan und Struktur angeht. Ist da die größte Formularmaschine der letzten Jahrzehnte auf dem Weg? Nur dann, wenn man sich den Potenzialen der Digitalisierung komplett verschließt. Ist der Nutzen ungewiss? Nicht, wenn man Dekarbonisierung und Nachhaltigkeit für eine der ganz großen aktuellen Herausforderungen hält. Insofern spricht das Zitat (stark überspitzt) real existierende Probleme an, für die es aber auch reale Lösungen gibt. Und ich würde noch weitergehen: Diese Lösungen dienen nicht nur der rechtlichen Compliance – sie helfen auch, den langfristigen Unternehmenserfolg zu sichern."

Frage: „Was würdest Du Unternehmern sagen, die sich von den Anforderungen durch Nachhaltigkeitsreporting in ihren Ressourcen überfordert fühlen?"

Antwort: „Das nichts so heiß gegessen wird, wie es auf den Tisch kommt. Wenn man zum ersten Mal mit Begriffen wie ESG, CSRD, Lieferkettengesetz und Taxonomieverordnung konfrontiert wird, fühlt man sich natürlich, als würde man in Badeschlappen vor dem Matterhorn stehen. Dabei geht es gar nicht darum, das ganze Unternehmen umzukrempeln. Meist liegt der Fokus darauf, Informationsflüsse, Prozesse und Schnittstellen, die ohnehin schon vorhanden sind, so nachzujustieren und ggf. digital zu unterstützen und zu optimieren, dass ein rechtskonformes Reporting quasi als Nebenprodukt dabei rauskommt. Die eigentlichen Ziele der Reise sind ja betriebswirtschaftlich sinnvolle Fortschritte in Bezug auf Dekarbonisierung, Kreislaufwirtschaft und Biodiversität – die Erhebung, Analyse und Aufbereitung von Daten und Informationen ist Mittel zum Zweck. ESG-Reporting ist sozusagen die kleine Schwester des integrierten ESG-Managements. Und Letzteres ist mittel- und langfristig betriebswirtschaftlich immer sinnvoll und erfolgreich."

Frage: „Nachhaltigkeit als Prozessoptimierung?"

Antwort: „Definitiv. Wenn man sowieso schon die Lupe ansetzt und Redundanzen und Reibungsverluste in den Prozessen identifiziert, dann profitiert das gesamte Unternehmen von deren Beseitigung. Unternehmer wären schlecht beraten, diese „Mitnahmeeffekte“ nicht zu nutzen."

Frage: „Trotzdem steht da noch die Kritik im Raum, die finanzielle Belastung der Unternehmen sei unzumutbar …"

Antwort: „Das hängt oft mit der Vorstellung zusammen, man müsse sofort immense Beträge budgetieren, um die Anforderungen zu erfüllen. Es ist meist viel sinnvoller, erstmal niedrigschwellig anzufangen, zum Beispiel mit einem Quick Scan zu sondieren, wo die größten Defizite liegen, und dort dann gezielt nachzubessern. Der professionelle Einstieg ins ESG-Reporting ist keine Jagd mit der Schrotflinte, sondern Präzisionsarbeit. Um das gut und wirtschaftlich umzusetzen, braucht es natürlich mehr als formalistische Kenntnisse der einschlägigen Regularien. Da sollte auch in Bezug auf interdisziplinäre Sektor- und Branchenexpertise möglichst viel „Butter bei die Fisch“, wie man in Hessen sagt."

Frage: „Über 13.000 Unternehmen sind in Deutschland von den neuen Reporting-Pflichten betroffen. Wird das eine Dauerbelastung für die deutsche Wirtschaft?"

Antwort: „Meine Prognose: Das wird eine betriebswirtschaftliche Selbstverständlichkeit, die gar nicht mehr als besondere Herausforderung empfunden wird. So wie man ja auch nicht jedesmal erst ins Online-Manual schauen muss, wenn man einen Teams-Call aufsetzt und Teilnehmer einlädt. Wenn die digitale Reporting-Infrastruktur einmal implementiert ist, dann werden Unternehmer*innen (oder „Chief Sustainability Officer“) eher zu Piloten, die das Dashboard im Blick behalten und mit perfekten Kurskorrekturen den Kerosinverbrauch auf ein Minimum senken."

Frage: „Hand aufs Herz: Wird Arcadis den eigenen Ansprüchen in Bezug auf Nachhaltigkeit gerecht?"

Antwort: „Das kann ich mit gutem Gewissen bejahen. Wir drehen bei Arcadis mehrmals jährlich jeden Stein um, um Nachhaltigkeitspotenziale zu identifizieren und auszuschöpfen. Wir sind zwar kein Industriebetrieb mit energieintensiver Produktion und komplexen Lieferketten, aber auch als „Wissensmanager“ tun wir alles, was möglich ist in Bezug auf Reisetätigkeit, Büroflächennutzung, Standortauslastung, Energieeffizienz, Fuhrparkmanagement und Digitalisierung. Und als global aufgestellte Planer*innen und Projektmanager*innen tausender Projekte für öffentliche und private Auftraggeber in den Bereichen Infrastruktur, Wasser, Umwelt, Immobilien, Energie, Klimaschutz, Resilienz und Dekarbonisierung kennen wir so ziemlich alle Aspekte und Facetten des Themas Nachhaltigkeit. Sustainability ist Teil unserer DNA."

Frage: „Zum Abschluss zurück zum SPIEGEL-Bericht – der Vorwurf des Bürokratiemonsters ist nicht komplett aus der Luft gegriffen, oder?"

Antwort: „Die aktuell existierenden rechtlichen Vorgaben sind Ergebnis eines notwendigen regulatorischen Kraftaktes, in dem noch nicht alle Räder perfekt ineinandergreifen. Da gibt’s zum Beispiel in Bezug auf die Harmonisierung zwischen deutschem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) und der EU-Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) noch Optimierungspotenzial. Das alles ist „Work in Progress“. Aber in Bezug auf Dekarbonisierung, Klimaschutz und Nachhaltigkeit erst zu warten, bis man den perfekten, auf allen Detailebenen ausgearbeiteten Plan hat, wäre eine sehr „deutsche“ Herangehensweise, die nicht mehr so richtig in die dringenden Herausforderungen der Gegenwart passt. Wir sollten uns mehr Agilität zutrauen! Meine Antwort also: Wir haben es eher mit einem Krümelmonster zu tun, dass wir mit der richtigen Erziehung in einen sehr treuen Freund und Helfer verwandeln können."

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Viktoria Ziemann

Viktoria Ziemann

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