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Frank Walter

Global Director Design & Engineering

Der ZIA Innovation Think Tank wagt mit seiner Streitschrift die kalkulierte Provokation in der Immobilienbranche.


Es muss kein schlechtes Zeichen sein, wenn eine Diskussion mal etwas hitziger wird. Manchmal ist die Leidenschaft, mit der argumentiert wird, auch ein Gradmesser dafür, wie lange man vorher den unbequemen Fragen aus dem Weg gegangen ist. Und gerade dann, wenn ein Geschäftsmodell über viele Jahre gut, ertragreich und gewinnbringend funktioniert hat, braucht es manchmal hohen Druck von außen, um notwendige Transformationen auszulösen. Es spricht also für einen Interessenverband wie den Zentralen Immobilien Ausschuss, sich nicht auf die konservative Bestandswahrung und die Verteidigung von Pfründen zu beschränken, sondern mit einem eigenen „Innovation Think Tank“ strategischen Überlegungen eine Plattform zu geben, die sich nicht nur mit der Optimierung der nächsten Jahresbilanz, sondern auch mit den ganz großen gesellschaftlichen Herausforderungen beschäftigen.

Mit seiner aktuellen Streitschrift hat dieser Think Tank gleich mehrere Finger in verschiedene Wunden gelegt. Auch wenn nicht alle privaten Akteure der Immobilienbranche und öffentlichen Entscheidungsträger bei jeder Forderung sofort applaudieren werden, so zeigen die angesprochenen Fragen doch durchweg hochaktuellen Diskussions- und Handlungsbedarf:

  • Wann fängt die Immobilienbranche endlich an, sich in Bezug auf Klimaschutz, Nachhaltigkeit und Energieeffizienz als proaktiver Impulsgeber zu positionieren?
  • Wo bleibt die Experimentierfreude in Bezug auf flächensparende Nutzungskonzepte, modulares Bauen, nachhaltige Baustoffe und Lieferketten sowie sozial gerechten und diversifizierten Wohnungsbau?
  • Warum sind gelungenen Beispiele für funktional gemischte Quartiersentwicklungen mit kurzen Wegen für Nutzer und Bewohner nicht längst als Standard etabliert?
  • Warum arbeiten wir nicht schon lange auf der Basis bundesweit einheitlicher, komplett durchdigitalisierter Planungs- und Genehmigungsprozesse?

Mein großes Interesse an dieser Streitschrift – und der Diskussion, die sie ausgelöst hat – hat sicher damit zu tun, dass ich beruflich an der Schnittstelle zwischen Digitalisierung und Bauwirtschaft arbeite und dort Tag für Tag mit den extremen kulturellen Unterschieden zwischen beiden Sektoren konfrontiert bin. Da steht eine Branche, die sich geradezu durch Innovation definiert, einer anderen gegenüber, die manchmal zu viel Angst davor hat, Traditionspfade zu verlassen.

Es ist ja gerade nicht so, dass die Autor*innen des Innovation Think Tank unrealistische Forderungen aufstellen. Mit den modernen digitalen Plattformen ist die Immobilien- und Bauwirtschaft tatsächlich in der Lage, sinnvolle Lösungen für die ganz großen gegenwärtigen Herausforderungen zu finden und einzusetzen. Es geht manchmal frei nach Karl Valentin: „Mögen hätt ich schon wollen, aber dürfen hab ich mich nicht getraut.“

Es ist sicher kein Zufall, dass der VBI (Verband der Beratenden Ingenieure) fast zeitgleich vor kurzem eine Kampagne startete. Die VBI-Initiative zeigt auffallende thematische Schnittmengen mit der aktuellen ZIA-Streitschrift.

Mein Fazit: Die Branchenverbände wachen offenbar auf, erkennen gravierende Defizite und trauen sich, unbequem zu sein und Transformationen einzufordern. Wenn diese intensivere Streitkultur zu einer besseren Baukultur führt, dann sind wir definitiv auf dem richtigen Weg.

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