Workshop der Arcadis City Shapers entwirft Szenarien, Ideen und Konzepte für private und öffentliche Entscheidungsträger.
Das Denken in Extremen führt selten zu sinnvollen Ergebnissen – aber manchmal hilft es, in verschiedene Richtungen „radikale“ Prognosen zu entwerfen, um in Zeiten hoher Volatilität und Unsicherheit ein Gefühl für mögliche Zukunftsszenarien zu bekommen. Schließlich kann jeder, der mit Scheuklappen fährt, an einer Kreuzung schon mal unangenehm überrascht werden. Wie werden die Coronakrise und die ihr im Kielwasser folgende wirtschaftliche Rezession die urbanen Zentren verändern? Wie werden die Strategien und Entscheidungen der Stakeholder und Akteure beeinflusst, die Leben, Arbeiten und Handel in unseren Städten formen und gestalten? Wer behauptet, diese Entwicklung mit hoher Genauigkeit prognostizieren zu können, der weiß wahrscheinlich auch schon, ob es Weihnachten regnen wird. Gewissheit ist aktuell um keinen Preis zu haben - trotzdem macht es Sinn, mit zwei polarisierenden Visionen einfach mal den Rahmen abzustecken, in dem sich die Entwicklung unserer Städte mittelfristig wahrscheinlich abspielen wird.
Die erste Vision ist denkbar unspektakulär: Im Prinzip bleibt alles beim Alten. Der Mensch in der Stadt gewöhnt sich an ein gewisses Maß von „Social Distancing“ und eine beschleunigte Virtualisierung des Lebens. Davon abgesehen hat er genau die gleichen Bedürfnisse wie vor der Krise. Er möchte saubere Luft und hohe Wohn-, Lebens- und Aufenthaltsqualität, ein inspirierende Arbeitsumfeld und exzellente Mobilitätsangebote. Er will shoppen, sich amüsieren, kommunizieren, essen gehen. Die Städte bleiben die räumlichen Zentren der volkswirtschaftlichen Wertschöpfung und die attraktivsten Spielwiesen für Entwickler und Investoren. Die kommunalen Haushalte zeigen in der langfristigen Verlaufskurve eine Delle, aber keine breite Talsohle. Sie erlauben nach wie vor Spielräume für strategische Weichenstellungen. Kurzum: Business as usual unter leicht veränderten Rahmenbedingungen.
Die zweite Vision ist der Stoff, aus dem Drehbuchautoren Dystopien kreieren: Die Entwicklung der Pandemie führt zu tiefgreifenden und dauerhaften Verhaltensänderungen der Menschen, die zunehmend prekäre ökonomische Situation von Individuen, öffentlichen Haushalten und Unternehmen erweist sich nach Unterschreitung ökonomischer Tipping-Points als irreversibel. Stationärer Einzelhandel wird zur aussterbenden Spezies, die radikale Umstellung auf Homeoffice und virtuelle Kooperation macht aus Bürovierteln Geisterstädte, Hotellerie und Gastgewerbe gehen reihenweise in die Insolvenz. Die grüne Verkehrswende wird zurückgedreht – nur motorisierter Individualverkehr gilt als infektionssicher. Eine zunehmende Stadtflucht bietet immer weniger Anreize für private Investitionen und die kommunalen Haushalte erlauben bestenfalls noch Notbetrieb. The Walking Dead.
Der Erklärungswert dieser diametralen Prognosen? Die reale Entwicklung wird irgendwo zwischen beiden Szenarien liegen – in einem Bereich, in dem gute Vorbereitung, strategische Ausrichtung und die richtigen, manchmal unkonventionellen Ideen den Unterschied machen. Wie könnte das in der Praxis konkret aussehen? Wie könnten sich ein Commercial Developer oder das Management einer Hotelkette krisenfest aufstellen? Wie schaffen es Vorstände kommunaler Verkehrsbetriebe, ihre ehrgeizigen Vorhaben für eine nachhaltige Verkehrswende mit knapperen Budgets voranzubringen? Auf welche Entwicklungen sollte sich eine kommunale Wohnungsbaugesellschaft vorbereiten?
Die „Arcadis City Shapers“, ein Team von Expert*innen, die in ihrer täglichen Arbeit permanent mit privaten und öffentlichen Entscheidungsträgern zusammenarbeiten, haben in einem Workshop Ideen für die krisenresiliente Stadt entwickelt. Wir werden Ihnen auf dieser Plattform in den nächsten Tagen einige der Ergebnisse präsentieren. Was inspiriert Sie bei der Lektüre, welchen Ansatz finden Sie interessant, wo liegen wir nach Ihrer Auffassung falsch? Wir freuen uns auf Ihr Feedback.