In der Immobilienbranche haben wenige Asset-Klassen in den letzten Jahren solche Wachstumsdynamiken gezeigt wie die HighTech-Sektoren Halbleiterproduktion und Datenverarbeitung. Unser aktueller International Construction Costs Report 2024 diagnostiziert in diesem Segment entsprechend große Mehrwerteffekte durch Effizienz in Konzeption, Planung und Realisierung. Die Bedeutung professioneller Strategien für Bürgerbeteiligung und Stakeholder Management wurden dabei bislang unterschätzt.
Mal ganz ehrlich – jeder von uns agiert immer mal wieder nach dem Sankt-Florians-Prinzip, in der globalisierten Sprachwelt auch als NIMBY („Not in my backyard“) bezeichnet. Beispiel Internet: Wer will nicht den superschnellen Gigabit-Anschluss für das reibungslose Homeoffice und ruckelfreies UHD-Streaming der Lieblingsserien? Aber Hand auf’s Herz – wer möchte das Hyperscaler-Rechenzentrum, das für diese Performance nötig ist, direkt auf dem Nachbargrundstück haben? Und weil man den guten Draht zum Bürgermeister hat, entdeckt man plötzlich sein Faible für die Kommunalpolitik …
Vorbild Energiewende: Beteiligungskonzepte adaptieren
Verfolgt man die mediale Berichterstattung über lokale Konflikte um geplante Rechenzentren (RZ), dann wird deutlich, dass es in Bezug auf zeitgemäße Strategien für Stakeholder Management und Bürgerbeteiligung noch Luft nach oben gibt. Dabei war es kein schlechter Wille, der die Dinge bislang eher hemdsärmelig steuerte. Wie jeder neue Markt mit hohem Wachstumsdruck weicht eine etwas „agilere“ Startphase irgendwann professionelleren, strategisch basierten Konzepten – auch und in gerade in Bezug auf Stakeholder- und Beteiligungsmanagement.
Für deren Entwicklung müssen Data Center Entwickler und -betreiber übrigens nicht bei Null anfangen. So wurden in den letzten Jahren für die großen Energiewende-Projekte neue Konzepte für Kommunikations- und Beteiligungsmanagement entwickelt, welche die Betroffenen frühzeitig einbinden, ihnen Partizipation ermöglichen und so das Risiko lähmender Fundamentaloppositionen spürbar senken. Die Branche ist gut beraten, sich bei den Best Practices in diesem Bereich zu bedienen und die Plattformen und Werkzeuge für ihre Zwecke zu adaptieren.
Dabei gilt ein einfacher Grundsatz: Je glaubwürdiger die Entwickler und Betreiber von Rechenzentren nachweisen können, dass sie in Bezug auf nachhaltiges Energie- und Wassermanagement, auf Versiegelungsgrade und architektonische Einbindung in das Umfeld bereit sind, die Extrameile zu gehen, umso höher wird die Akzeptanz durch die Öffentlichkeit und die Entscheidungsträger. Und je früher sie proaktiv eine konstruktive Kommunikation mit Betroffenen und Stakeholdern aufbauen, umso größer die Erfolgschancen für das Vorhaben.
David gegen Goliath? Schmerzpunkte identifizieren und antizipieren …
Schaut man sich die typischen Diskussionsthemen bei Standortkonflikten auf lokaler Ebene an, wird schnell deutlich, dass technologischer Fortschritt sowie ein tiefes Verständnis für ökologische UND soziale Nachhaltigkeit mit der Optimierung der Beteiligungsprozesse Hand in Hand gehen müssen, um die Ausbauprogramme voranzubringen. Einige Schlaglichter aus der Praxis beleuchten diese Zusammenhänge und Wechselwirkungen:
• Trotz kontinuierlicher technologischer Optimierung sind Rechenzentren immer noch energetische Großverbraucher. Sie treten damit automatisch in Konkurrenz zu den örtlichen Gewerbe- und Industriebetrieben, deren Wachstums- und Entwicklungspläne durch die Limitierungen der lokalen Energieversorgung betroffen sind. Diese Konflikte sind frühzeitig zu thematisieren und zu adressieren.
• Die örtlichen politischen Entscheidungsträger agieren in Diskussionen über RZ-Projekte in einem Spannungsfeld. Verlockende Erlöse aus Grundstücksveräußerungen und Gewerbesteuereinnahmen sind mit den tatsächlich dauerhaft zu erwartenden Impulsen für den örtlichen Arbeitsmarkt abzugleichen. Je tiefer das Verständnis für diese lokalpolitischen Dimensionen, umso besser.
• Da gibt es im ursprünglichen Sinne des Wortes nichts schönzureden: In der Vergangenheit wurden Rechenzentren zu oft in schmuckloser, monolithischen Zweckarchitektur ausgeführt. Je mehr architektonische Kreativität in Bezug auf die individuelle Integration vor Ort investiert wird, umso besser die Basis für eine konstruktive öffentliche Diskussion über das Projekt. Technische und gestalterische Innovation und Qualität schließen sich nicht aus.
• Versiegelungsgrade bieten reichlich öffentlichen Diskussionsstoff. Der hohe Flächenbedarf von Rechenzentren setzt deren Entwickler vor Legitimationsdruck. Sie werden zu Recht an ihren Anstrengungen gemessen, mit wertvollen Grün- und Ackerflächen so sparsam und vorsichtig wie möglich umzugehen. Entsteht der Eindruck, hier würden für besonders kapitalstarke Akteure die Anforderungen gesenkt, entsteht aus gutem Grund ein Legitimationsproblem.
• Auch die öffentlichen Entscheidungsträger haben die Marktdynamik und den Investitionsdruck erkannt. Sie professionalisieren sich in Bezug auf den Ausbau der Data Center Infrastruktur und beginnen, auf Ebene der Kommunen und Landkreise eigene Handreichungen und Leitfäden für die Genehmigungsprozesse zu entwickeln. Sie versuchen damit auch, die besonderen Dimensionen, Anforderungen und Auswirkungen von Rechenzentren in die etablierten Prozesse der Bauleitplanung mit ihren eigenen, über viele Jahre entwickelten Beteiligungsverfahren zu integrieren.
RZ-Entwickler und -Betreiber sind gut beraten, diese Entwicklungen genau zu verfolgen.
• Immer wieder sind es schlecht und zu spät kommunizierte Nischenthemen wie die Notstromversorgung mit Diesel-Generatoren mit ihren Kaminen (relevant bzgl. BimSchG, BimSchV, TA Lärm) oder die erforderlichen Sicherungsanlagen gegen unbefugten Zutritt, die Kipppunkte in der öffentlichen Diskussion erzeugen können. Im Zweifelsfall ist proaktive Transparenz und Offenheit immer der bessere Weg als späte, kommunikative Reparaturversuche.
• Entwickler von Rechenzentren treten als kapitalstarke, ökonomische Big Player auf den lokalen Immobilienmärkten auf. Ihre Aktivitäten können signifikante Einflüsse auf die Entwicklungen der Grundstückspreise haben – mit entsprechenden Auswirkungen auf die lokale Gewerbestruktur, die nicht nur Gewinner auf dem Feld zurücklassen. Hier ist Sensibilität für die potenziellen Auswirkungen auf die kommunale Wirtschaftsstruktur gefragt.
Das „perfekte“ Rechenzentrums-Projekt
Letztendlich spiegeln sich in allen skizzierten Punkten die verschiedenen Dimensionen des Mega-Themas Nachhaltigkeit wider. Drehen wir zur Verdeutlichung die Blickrichtung: Wie sähe das „perfekte“ Data Center Projekt aus, in dessen Konzeptionsphase Bürgerbeteiligung und Stakeholder Management fast schon Selbstläufer wären?
Es entstünde in Form eines Daten-Campus in zeitgemäßer architektonischer Formensprache, als Konversionsprojekt auf dem Standort eines ehemaligen Kohlekraftwerks. Es wäre direkt an lokale Wind- und Sonnenenergieparks angeschlossen und hätte dank intelligentem Kühlmanagement minimale Auswirkungen auf den lokalen Wasserhaushalt. Es verfügte über eine speicherbasierte Notstromversorgung. Es wäre zudem an lokale Kraft-Wärme-Kopplung bzw. Fernwärmenetze angeschlossen, von der örtliche Haushalte und Gewerbetriebe profitieren. Mit den zusätzlichen Gewerbesteuereinnahmen könnte die Kommune neue Projekte für die Verbesserung der Lebensqualität anstoßen. Und der vielleicht wichtigste Punkt: Das gesamte Konzept würde möglichst frühzeitig und mutig zur öffentlichen Diskussion gestellt, um Vorschläge, Kritik und Ideen von Betroffenen aufgreifen und integrieren zu können.
Nicht immer und überall lassen sich alle diese Idealvorstellungen realisieren. Aber je glaubwürdiger die Entwickler ihre nachhaltigen Ambitionen darstellen können, umso stärker wird ihre Position in den öffentlichen Diskussionsprozessen.
Die Kommunikationsaufgabe:
Rechenzentren als nachhaltige Bausteine der Grundversorgung
Die Rechenzentren-Infrastruktur gehört heute – so wie Energie und Wasser – zur Grundversorgung. Die Entwickler und Betreiber der Anlagen arbeiten seit Jahren mit Hochdruck daran, die Nachhaltigkeits-Bilanz der Asset-Klasse zu verbessern und vom Nachzügler zur Spitzengruppe im Klimaschutz-Wettbewerb aufzuschließen. Es spricht nichts dagegen, mit dem gleichen Elan die Herausforderungen rund um Bürgerbeteiligung, Stakeholder- und Kommunikationsmanagement für potenzielle RZ-Standorte anzugehen. Die interdisziplinäre Expertise und die Praxiserfahrungen aus anderen Infrastruktur-Sektoren liegen dafür bereit.
Geht man es richtig an, werden nicht nur das Image der Branche und ihre Nachhaltigkeitsbilanz enorm profitieren. In Zukunft wird vielleicht mancher „Florian“ stolz auf das Rechenzentrum in seiner Nachbarschaft verweisen …